NÖN „Pro/Kontra“

NÖN „Pro/Kontra“

„Ist die Corona-Impfpflicht als letzter Ausweg gerechtfertigt?“

Eine Impfung stellt ohne Zweifel einen Eingriff in die körperliche Integrität eines Menschen dar und steht daher grundsätzlich in der freien Entscheidung eines jeden Einzelnen. Dieses Recht der freien Entscheidung, insbesondere in medizinischen Belangen ist in Österreich grundrechtlich mehrfach abgesichert. Zum einen durch Artikel 3 der Grundrechtecharta der Europäischen Union welche das Recht auf (körperliche) Unversehrtheit garantiert und klarstellt, dass im Rahmen der Medizin für Behandlungen die Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung zu erfolgen hat. Zum anderen durch Artikel 8 der europäischen Menschenrechtskonvention, welcher die Achtung des Privat- und Familienlebens garantiert. Zentraler Punkt ist hierbei die Autonomie des Menschen und ein Recht auf Selbstbestimmung. Zwar gibt es bereits Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, dass eine Impfpflicht unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein kann (zB durch Interesse des öffentlichen Gesundheitsschutzes) allerdings nur unter strengen Voraussetzungen! Hier hat stets eine Interessensabwägung stattzufinden, wobei der Eingriff in die körperliche Integrität und die Einschränkung der Selbstbestimmung immer nur die ultima ratio – sprich das letzte mögliche Mittel zur Erreichung des Zweckes – sein darf. Je schlimmer eine Krankheit ist, umso eher wäre daher ein Eingriff gerechtfertigt, allerdings auch nur dann, wenn es keine gelinderen Mittel gäbe, der Krankheit Einhalt zu gebieten (Verhältnismäßigkeit!).

Aufgrund der durch die Impfung nicht gewährleisteten sterilen Immunität (siehe dazu unten) ist derzeit das einzige Argument warum eine Impfpflicht notwendig sein könnte, die drohende Überlastung des Gesundheitssystems. Die Bereitstellung und Aufstockung von Kapazitäten wäre ein klassisch „gelinderes Mittel“ gegenüber einer Impfpflicht. Hier hat die Politik die letzten Monate allerdings klar versagt und verabsäumt bessere Rahmenbedingungen für das medizinische Personal zu schaffen wodurch sich die Personalsituation verschärft hat. Dass derartige außergewöhnliche Ereignisse eine Herausforderung für das Gesundheitssystem sind ist auch nicht neu, bereits in vergangenen starken Grippesaisonen war man oft am Rande der Belastungsgrenze. Hier wäre also zuallererst anzusetzen bevor es sich die Politik leicht macht und meint eine Impfpflicht als alleiniges Allheilmittel (Stichwort Gamechanger) etablieren zu müssen.

Auch die Impfung selbst und deren Wirkung ist nicht geeignet eine Impfpflicht zu begründen. Der oft in diesem Zusammenhang gebrachte Vergleich mit den Pocken hinkt in mehrfacher Hinsicht. Die Wirkung des Pockenimpfstoffes nimmt erst nach Jahren ab, Ergebnisse einer US-amerikanischen Studie lassen sogar auf einen lebenslangen Schutz schließen. Zweiter entscheidender Punkt ist, dass durch die Pockenimpfung eine sterile Immunität erzeugt wird, dh dass Geimpfte den Virus auch nicht mehr weiterverbreiten können, wodurch die Pocken schließlich ausgerottet werden konnten. Dritter Punkt ist die Letalität, die bei einer unbehandelten Pockenerkrankung bei geschätzt 30% liegt.

Im Vergleich dazu gewährleisten die derzeit bedingt zugelassenen Impfstoffe gegen Covid 19 wie bereits erwähnt keine sterile Immunität. Dh auch geimpfte Personen können sich infizieren, den Virus weitergeben, (schwer) erkranken und sterben. Eine Ausrottung des Virus ist damit nicht zu gewährleisten.

Die Wirkung der Impfstoffe dürfte darüber hinaus sehr rasch abnehmen, die Wirkdauer wurde zuletzt ständig nach unten korrigiert. Vor allem bei älteren Menschen (welche die Hauptrisikogruppe darstellen) werden bereits Stimmen laut, die eine Auffrischung alle vier Monate für sinnvoll erachten, was drei Impfungen pro Jahr bedeuten würde (im Vergleich zu einer Pockenimpfung pro Leben!). Die Letalität beträgt laut Deutschen RKI im Vergleich dazu „nur“ 6,8 % (in der 1. Welle) wiewohl es hier auch Studien gibt, die eine weitaus geringere Letalität annehmen, wie jene von John Ioannidis.

Ein weiterer wesentlicher Punkt bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist die Tatsache, dass es sich nicht um Impfungen im „klassischen“ Sinn handelt. Während bisher eingesetzte Impfstoffe aus inaktivierten oder abgeschwächten Viren bestanden (größtenteils mit Wirkverstärkern) handelt es sich bei den bedingt zugelassenen Covid 19 Impfstoffen um mRNA-Impfstoffe (Biontech/Pfizer und Moderna) bzw um sogenannte Vektorimpfstoffe (AstraZeneca und Johnson & Johnson), die beide gentechnisch hergestellt werden. mRNA-Impfstoffe enthalten dabei den „Bauplan“ für das Spike-Protein des Virus, welches nach Injektion von den köpereigenen Zellen produziert wird. Der eigene Körper wird somit dazu gebracht Bestandteile des Virus herzustellen und freizugeben. Bei den Vektorimpfstoffen transportiert ein für den Menschen harmloses Virus, welches sich nicht vermehren kann, das Spike-Protein des Coronavirus. Sämtliche Zulassungen erfolgten bedingt, dh dass die Hersteller für die ordentliche Zulassung noch umfassendere Studienergebnisse vorzulegen haben und aktuell insbesondere noch keine Studien zur mittel- und langfristigen Wirkung und Verträglichkeit vorliegen. Die Erprobung dieser neuartigen Impfstoffe erstreckt sich auf einen außergewöhnlich kurzen Zeitraum, insofern verbietet sich schon deswegen jeder Vergleich mit verpflichtenden Impfungen der Vergangenheit, deren Wirkweise jahrzehntelang bekannt gewesen ist.

Der Blick in andere Länder mit höherer Impfquote als Österreich lässt ebenfalls Zweifel aufkommen, ob mit einer höheren Durchimpfungsrate der angestrebte Zweck (die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems) überhaupt zu erreichen ist. Oft wurde in der Vergangenheit als Musterschüler in Sachen Impfquote Portugal genannt. Mit rund 88 % vollständiger Durchimpfung ist die Impfquote dort so hoch wie sonst kaum in Europa. Ist die Pandemie für Portugal damit überstanden? Die Antwort ist ganz klar Nein. Portugal musste aktuell aufgrund erneut steigender Infektionszahlen den Notstand ausrufen und erneut Maßnahmen wie Maskenpflicht und 2G+ einführen. Für die Tage nach Weihnachten ist ein Lockdown geplant.

Unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte schlägt eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit meiner Ansicht nach damit klar gegen eine Impfpflicht aus. Weder ist damit der beabsichtigte Zweck zu erreichen, noch ist dies die ultima ratio im Kampf gegen Corona.

Mag. Stefan Danzinger

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